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  • AutorenbildHarald Karrer

Der Visualisierungs-Trend im Fokus

Ob analog oder digital – Bilder sind aus dem Seminar-, Meeting- oder Vortragsalltag kaum mehr wegzudenken. Doch: Ist alles gut, was Bild ist?


Um die Welt der Bilder hat sich ein Geschäftszweig entwickelt, der unglaublich vielfältig geworden ist: Flipchart-Training, Graphic Recording, Visual Notetaking, Erklärvideos und vieles mehr. Doch wie steht es um die Wirkung von Visualisierungen? Ist alles gut, was Bild ist? Und worauf sollen Trainer, Vortragende oder Veranstalter beim Einsatz von Visualisierungen achten?


Fakt ist: Bilder dienen als Lernanker und lösen ein wahres neurologisches Feuerwerk in unseren Gehirnen aus. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben den sogenannten »picture superiority effect« bewiesen. Dieser besagt, dass wir uns an Bilder besser und länger erinnern können, als an das geschriebene Wort. Wobei hier bereits anzumerken ist, dass Wort und Bild gemeinsam die größte Wirkung erzielen. Und zwar die sinnvolle Kombination beider. Der Trend ging außerdem in den letzten Jahren eindeutig zum Handgezeichneten. Waren Sie beispielsweise schon einmal Zeuge eines live gezeichneten bildhaften Verlaufsprotokolls einer Veranstaltung, häufig Graphic- oder Visual-Recording genannt? Beteiligen sich die Teilnehmer an der Visualisierung oder werden die Zeichnungen Teil der Veranstaltung selbst, sprechen Fachleute von »Graphic Facilitation«. In jedem Fall drängt sich die Frage nach der Wirkung bzw. dem Mehrwert solcher bildhaften Protokolle auf. Begeisterung wird durch diese besonderen Methoden allemal ausgelöst, aber bleibt es beim bloßen Show-Act oder gibt es da noch mehr?

Damit aus der Kunst ein verwertbares Werk  wird, braucht es beide: die Zeichner und das Publikum! Recording ist dabei nicht gleich Recording. Profis erkennt man schon alleine daran, dass sie sich im Vorfeld bei den Veranstaltern nach deren Vorstellung der Verwertbarkeit erkundigen. Soll es sich beispielsweise um eine gute Zusammenfassung der Inhalte handeln, welche dem Publikum am Ende der Veranstaltung in analoger oder digitaler Form zur Verfügung gestellt wird oder soll das Ergebnis zum Nach- und Überdenken anregen? In letzterem Fall kann es auch interessant sein, den Zeichner am Ende der Veranstaltung um seinen persönlichen Eindruck zu bitten und diesen mit dem Publikum zu teilen. Das kann äußerst anregend sein und das Gesagte nochmals in Bewegung bringen.


Letztendlich geht es fast immer darum: Inhalte so lange in Bewegung zu halten, damit dem Denkorgan immer wieder neue Angebote (Impulse) gemacht werden, um so etwas Nachhaltiges zu schaffen. Dazu braucht es die vielfach unterschätzte Methode der Wiederholung. Damit lernt und merkt es sich besonders gut. Die Information muss sozusagen den Vorhof der Kurzzeitgedanken überstehen, um in die Gefilde des Langzeitdenkens eintreten zu können. So gesehen ist das Visualisieren als eine Form des Transfers zu verstehen. Der Transfer ist bei den meisten Veranstaltungen (Seminaren, Trainings usw.) das begehrte Ziel. Darüber wurde und wird viel geschrieben. Viele der beschriebenen Methoden und Transfer-Ideen beinhalten in irgendeiner Form Visualisierungen (oder drehen sich sogar zentral darum). Bilder sind jedoch nicht nur gegen Ende von Informationseinheiten bereichernd, sondern auch bereits bei der Präsentation der Information selbst oder beim Austausch bzw. Entwickeln von Ideen. Um entsprechend wirkungsvolle Bilder (bzw. Kompositionen) zu entwickeln, kann folgende Einteilung hilfreich sein: Überlegen Sie, ob es sich beim betreffenden Sachverhalt um etwas Prozesshaftes (charakteristisch ist der Kontext), um etwas Vergleichendes (Gemeinsamkeiten und Unterschiede) oder etwas Systematisches (Beziehungen der Informationseinheiten zueinander) handelt. Die Art der Darstellung (Fotos, Scribble etc.) spielt dabei noch gar keine Rolle. Viel wichtiger ist die Klarheit der Struktur und ob damit an den Erfahrungen des Publikums angedockt werden kann. In so einem Fall wird das Flipchart (die Pinnwand etc.) dann nicht mehr als überdimensionales Notizenwerkzeug benutzt, sondern wird zum Medium einer Methode bzw. noch besser ausgedrückt: einer Kulturtechnik – dem Visualisieren! In unserer heutigen Gesellschaft hat sich das Schreiben als Kulturtechnik durchgesetzt – aber auch das Lesen von Bildern ist zu einem wichtigen Bestandteil des täglichen Denkens und Handelns geworden. Vom Verkehrsschild bis zum Emoticon sind Bilder nicht wegzudenken. Lediglich im Bereich des »Schreibens« von Bildern (dem Zeichnen) herrscht weit verbreiteter Analphabetismus vor.


Hier werden dann die Ausbildner im Bereich »Visualisierungs-Training« auf den Plan gerufen bzw. gibt es ein wachsendes Angebot an Literatur und Online-Kursen. Jedoch gilt auch hier, dass Training nicht gleich Training ist. Anbieter kommen häufig selbst aus dem Illustratoren- oder Grafiker-Bereich. Das verspricht zwar ein umfangreiches Wissen an Technik und Grundlagen, ist aber noch kein Garant für einen erfolgreichen Praxisworkshop bzw. Wissenstransfer. Das eine ist es, die Grundlagen des Visualisierens zu lernen – das andere jedoch, damit dann auch im eigenen Berufsfeld arbeiten zu können. Es ist daher ratsam, hier genau hinzuschauen und gegebenenfalls sich nach dem Ansatz der praktischen Umsetzbarkeit zu erkundigen. Gerade das autodidaktische Lernen des Zeichnens aus Büchern ist in vielen Fällen äußerst mühsam und unbefriedigend. Erfahrungsgemäß ist ein Präsenz- oder Online-Kurs in den meisten Fällen die bessere Wahl. Und am allerbesten: die persönliche Empfehlung durch eine dritte Person. Jemand, bei dem das Training bereits wirkt! Fragen Sie beispielsweise Vortragende oder Trainer gezielt danach, bei wem Sie das visuelle Gestalten gelernt haben.


Fazit

Bilder sind ein mächtiger Verbündeter – wenn sie passend eingesetzt werden und durchdacht sind. Selbst zu zeichnen, kann äußerst ansprechend wirken und für positives Feedback und nachhaltigen Wissenstransfer sorgen. Aber auch dabei handelt es sich um eine Technik, die gelernt werden soll. Die Wirkung von Visualisierungen beruht auch auf der Interaktion zwischen Präsentator und Publikum. Manchmal wäre es hilfreich, dem Publikum noch eine »Gebrauchsanleitung« zum Lesen der Visualisierung in die Tasche zu stecken, um so auch die gewünschte Wirkung zu erzielen. Überlegen Sie sich daher gut, WOFÜR Sie Visualisierungen einsetzen wollen und WIE das ersehnte Ergebnis ausschauen soll!


Harald Karrer


(veröffentlicht im Magazin TRAiNiNG am 6.2.2018)

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